Dieselabgasreinigung-Teil 1-Stickoxide

Da will man der größte Automobilhersteller der Welt werden und *ZACK* hebelt einen ein Markt aus, der eigentlich nur einen relativ geringen Anteil zum Gesamtumsatz beiträgt. Wer jetzt nicht weiß, wovon ich rede, war wohl die letzten Monate im Stile von Austin Powers eingefroren oder am Arsch der Welt inklusive Nachrichtensperre. VW hat´s also zuerst erwischt und dazu noch so sehr, dass wohl das geliebte Sparschwein endgültig zertrümmert werden muss. Kommt davon. Kurz darauf gerieten aber auch andere Hersteller ins Visier der Ermittler. Einige hatten Dreck am Stecken, andere nicht. Alles  wird immer schlimmer, die Leute haben kein Vertrauen zu Dieseln mehr und greifen wieder verstärkt auf Benziner zurück.
Das Thema dieses Artikels sollen jedoch keine Marktanalysen sein und schon gar keine Geschichte darüber, wie VW sein angespartes Geld mit vollen Händen Richtung Amerika feuert. Es geht darum, wie ein Diesel die berüchtigten Stickoxide (zumindest theoretisch) heraus filtert, bevor sie durch das Endrohr zum ersten Mal Tageslicht sehen.

Man kann sagen, was man will..das Wort „Stickoxide“ ist in aller Munde und das zurecht. Sie gefährden Umwelt, Gesundheit und sind zu einem, nicht unerheblichen Teil am Klimawandel mitschuldig. Stickoxide sind ein Oberbegriff, für viele verschiedene Verbindungen zwischen Sauerstoff und Stickstoff. In Motoren entstehen sie durch hohen Druck, hohe Temperaturen und Sauerstoffüberschuss, sprich bei einer mageren Verbrennung. Der Hang zum Sprit sparen bei Dieselmotoren wird denselben also zum Verhängnis, da sie genau dadurch mehr Stickoxide nach außen schleudern, als Benziner.
Um diese zu minimieren, werden innermotorische Maßnahmen ergriffen, genauso wie Maßnahmen in der Abgasnachbehandlung.

Die innermotorischen Maßnahmen kommen schon jetzt an ihre Grenzen, da technisch gesehen nicht mehr viel zu machen ist. Heutige Motoren sind in Bezug auf die Optimierung der Strömungsverhältnisse, hohe Einspritzdrücke zur feinen Zerstäubung und saubereren Verbrennung des Kraftstoffes, der Optimierung des Brennraums, das Absenken des Verdichtungsverhältnisses und der Kühlung der zurück geführten Abgase nahezu perfekt und vollständig ausgereift.

Die weitere Reduktion der Stickoxide muss also nach dem Motor geschehen.

Der NOx-SpeicherkatalysatorAbgasreinigungStickoxidephilipsautoblog(6)

Vor allem kleinere Motoren profitieren vom NOx-Speicherkatalysator. Dazu ist er noch eine relativ kostengünstige Variante, um die schädigenden Verbrennungsprodukte in harmlosere Stoffe aufzuspalten. Um das zu erreichen, sind zwei Phasen nötig:

Phase 1:
Während der Verbrennung wird mit Hilfe der Beschichtung des Katalysators Stickoxid zu Stickdioxid oxidiert. Der Sauerstoff dafür ist noch ausreichend in den Abgasen vorhanden. Das Stickdioxid wird anschließend von der Oberfläche des Kats absorbiert und dort gelagert. Sobald diese Oberfläche voll, also „gesättigt“ ist, läuft Phase 2 an.

Phase 2:
Hier folgt die Regeneration des Katalysators. Dies geschieht, indem die Verbrennung „angefettet“ wird, sprich mehr Sprit eingespritzt wird. Dies hat zur Folge, dass deutlich mehr unverbrannte Kohlenwasserstoffe in den Katalysator gelangen und mit dem dort eingelagerten Stickdioxid reagieren. Sie entziehen ihm den Sauerstoff, wodurch aus ihnen selbst Kohlenstoffdioxid und Wasser entsteht. Aus dem Stickdioxid wird Stickstoff.

SCR-Katalysatoren

Soviel zu kleineren Motoren. Die größeren Dieselmotoren pulvern deutlich mehr Giftstoffe aus dem Auspuff, welche die Speicherkatalysatoren in dieser Menge gar nicht mehr aufnehmen können. Hier kommt eine Technik zum Einsatz, die sich selektive katalytische Reduktion nennt. Diese erfolgt mithilfe von sogenannten SCR-Katalysatoren.Hier werden gezielt die Stickoxide reduziert und Nebenreaktionen unterdrückt. Um die Stickoxide zu reduzieren, wird Ammoniak verwendet. Die Verfahren werden in aktiv und passiv unterteilt.AbgasreinigungStickoxidephilipsautoblog(2)

Das passive Verfahren:
Hier werden ausschließlich die im Abgas vorhandenen Stoffe verwendet, wodurch zusätzliche Mittel unnötig sind. Das Geheimnis dieses Systems liegt im Wechsel zwischen Mager- und Fettbetrieb. Damit das Ganze funktioniert, benötigt man hierfür einen NOx-Speicherkatalysator, einen passiven SCR-Katalysator, einen NOx-Sensor, sowie diverse Sensoren für Temperatur und Druck. Während die fette Verbrennung abläuft, geschieht im NOx-Speicherkatalysator das Gleiche wie oben. Die Stickoxide werden mithilfe der unverbrannten Kohlenwasserstoffe in Stickstoff umgewandelt. Hier wird allerdings auch gleichzeitig Ammoniak generiert und gespeichert. Während der mageren Verbrennung, wird dieses Ammoniak freigesetzt und reduziert im SCR-Katalysator die Stickoxide.

Das aktive Verfahren:
Die Erzeugung des Ammoniaks überlässt man hier nicht dem Speicherkatalysator, sondern einem 32,5%igem Harnstoff-Wasser-Gemisch. Dieses wird nur von einer Firma produziert und ist als AdBlue bekannt. Aus diesem Grund ist übrigens auch in jedem Dieselnamen der Hersteller, die dieses System nutzen, das Wort „Blue“ enthalten. Sei es nun Mercedes, VW, oder einer der anderen großen Hersteller. Das ist eine Auflage der Herstellerfirma, die den betreffenden Herstellern sonst verbieten, das System zu nutzen. Die Hersteller gehen darauf gerne ein, denn das aktive SCR-Verfahren ist das effektivste System zur Reduktion von Stickoxiden. Es erreicht einen Wirkungsgrad von fast 100%. Im realen Fahrzeugbetrieb bleiben davon noch etwa 90% übrig. Warum diese große Differenz? Das System kann nur arbeiten, wenn Betriebtemperatur erreicht ist. Bis der Motor diese erreicht hat, muss er also ohne AdBlue auskommen. Das ist auch einer der  Gründe, warum Diesel nicht als Kurzstreckenfahrzeuge taugen.
Doch kommen wir endlich zur Funktionsweise. Das AdBlue wird dosiert in das Abgassystem vor dem Katalysator eingespritzt. Die Menge ist dabei nicht immer gleich, sondern wird, je nach Lastfall, vom Motorsteuergerät berechnet. Noch bevor das AdBlue den Katalysator erreicht, wird es in zwei Phasen in Ammoniak umgewandelt.AbgasreinigungStickoxidephilipsautoblog(7)AbgasreinigungStickoxidephilipsautoblog(3)

Die erste Phase nennt sich Thermolyse. Hier wird der Harnstoff aufgrund der Wärme in Ammoniak und Isocyansäure umgewandelt. Danach folgt die Hydrolyse. Hier reagiert die vorher entstandene Säure mit dem Wasseranteil im AdBlue. Die Endprodukte sind Ammoniak und Kohlenstoffdioxid.

Dann geht es in den Katalysator, in dem Ammoniak und das Stickoxid miteinander reagieren. Bei dieser Reaktion wird dem Stickoxid der Sauerstoff entzogen und es entstehen Wasser und Stickstoff. Dieser Prozess wird unterstützt durch die Beschichtung des Kats, welche ihn noch beschleunigt.
Wichtig ist, dass das Verhältnis von Stickoxiden und AdBlue stimmt. Wird zu wenig eingespritzt, bleiben Stickoxide übrig, wird zu viel eingespritzt, tritt Ammoniak aus. Das stinkt und ist in manchen Fällen auch umweltschädlich.

Wie ihr schon gemerkt habt, ist für die Abgasreinigung ein großes und recht kompliziertes System nötig, aus dem ich zwei Teile noch einmal besonders beleuchten möchte.

Der SCR-Katalysator
Ein SCR-Katalysator besteht aus einem wabenförmigen Keramikkörper und hat eine ungefähre Betriebstemperatur von 200°C. Neben der Aufgabe des „Beherbergens“ der Reaktion zur Reduktion von Stickoxiden, sorgt er auch dafür, dass Motoren mit diesem System einen besseren Wirkungsgrad haben, als Motoren ohne ihn, da einige Schritte zur Stickoxidminderung, die den Wirkungsgrad eines Motors schmälern und den Verbrauch in die Höhe treiben, verzichtet werden kann.

Das Dosiersystem für AdBlue
Wie oben bereits erwähnt, ist das A und O der AdBlue-Technologie das genaue dosieren des Harnstoff-Gemischs. Einer der größten Automobilzulieferer der Welt, Bosch, hat die beste Lösung hierfür entwickelt, die unter dem Namen „Denoxtronic“ bekannt geworden ist. Die Steuerung dieses Systems, welches einen Teil der Sensoren und Datenverarbeitung nutzenden Systemen eingliedert, übernimmt entweder das Motorsteuergerät oder ein separates Steuergerät, welches dann nur für die Dosierung zuständig ist. Um dennoch ein Teil des Gesamtsystems zu sein, schließlich muss alles gemeinsam funktionieren, ist dieses per CAN-Bus mit dem Motorsteuergerät verbunden.
Die Eingangsinformationen werden aus einem weitreichenden Netzwerk von Sensoren bereitgestellt. Dazu gehören Druck- und Temperaturgeber für das Reduktionsmittel, ein Abgastemperaturfühler, ein Reduktionsmittelvorratsgeber und ein Stickoxidsensor, der die Arbeit des Systems überwacht.
Für die Arbeit selbst, benötigt das System eine Förderpumpe für das Reduktionsmittel, ein Einspritzventil, ein Umkehrventil und ein Heizsteuergerät, welches vor Allem bei Temperaturen unter -11°C wichtig ist, bei denen AdBlue gefriert. Aus diesem Grund werden sämtliche Leitungen, durch die das Harnstoffgemisch fließt, beim Abstellen des Fahrzeuges mithilfe des Umkehrventils gelehrt, welches die Förderrichtung umschaltet und das AdBlue somit zurück in den Tank fließt.AbgasreinigungStickoxidephilipsautoblog(4)

Im Überblick funktioniert die Einspritzung des AdBlue wie folgt:

Das Gemisch wird aus dem Tank mit 5 bar zum Dosiermodul gepumpt. Hier wird es, nachdem der SCR-Katalysator Betriebstemperatur erreicht hat, zerstäubt und mithilfe der Signale der mannigfaltigen Sensoren dosiert in den Abgastrakt eingespritzt.
Die Einspritzung wird unterbrochen, wenn die Betriebstemperatur unterschritten, oder der Abgasmassenstrom zu gering ist, wie etwa im Leerlauf.

Soviel zum System selbst. Haben wir es endlich geschafft? Haben wir uns tatsächlich durch den Dschungel des Technikwirrwarrs hindurchgekämpft und sind nun vollumfassend allgemeingebildet im Bereich der Abgasreinigung? Nicht ganz. Etwas bleibt noch zu erwähnen. Was passiert, wenn der AdBlue-Tank leer ist?
Der ist nämlich so ausgelegt, dass er etwa die Zeit zwischen zwei Inspektionen durchhält, bis er wieder befüllt werden muss. Bei dieser Neubefüllung in der Werkstatt, wird nach dem befüllen der Füllstand des Tanks in einigen Fällen mithilfe eines Diagnosegerätes wieder auf „voll“ gesetzt. Vom Nachfüllen auf eigene Faust kann ich persönlich nur abraten. Der Tank sitzt zumeist unter der Kofferraumabdeckung. Falls etwas daneben geht, stinkt es ewig und drei Tage.
Aber was ist denn nun, wenn der Tank wirklich einmal leer sein sollte?
In diesem Fall wird der Fahrer natürlich vom Fahrzeug darüber informiert. Schon etliche Kilometer vorher gibt es immer mal wieder eine Info für den Fahrer, dass der Tank langsam mal wieder aufgefüllt werden müsse. Wenn diese ignoriert werden und der Tank leer ist, wird je nach Fahrzeug die Motorleistung auch vom Steuergerät gedrosselt, um erhöhten Schadstoffausstoß zu unterbinden. Doch nicht nur für die Umwelt wird in diesem Fall die Situation ernst, sondern auch für den SCR-Katalysator selbst. Der benötigt nämlich das Gemisch, um nicht zu überhitzen und/oder anderweitig Schaden zu nehmen. Das führt soweit, dass sich das Auto nach dem nächsten Mal abstellen durch eine elektronische Sperre nicht mehr starten lässt.

Wem das jetzt zu viel, zu langweilig oder ähnliches war, dem kann ich nur sagen: Glückwunsch! Du hast es immerhin bis hier her geschafft! In jedem Fall sollte man aber folgenden Rat beherzigen: Wenn man ein Auto mit einem AdBlue Diesel hat, sollte man immer dafür sorgen, dass der Hanstofftank nicht leer wird. Es sei denn, man möchte die nächsten Ferien gerne auf einem mahlerischen Autobahnrastplatz verbringen.

Ein Beitrag zum Dieselpartikelfilter, einem weiteren Baustein zur Abgasreinigung, wird übrigens auch noch folgen.

4 Kommentare zu „Dieselabgasreinigung-Teil 1-Stickoxide

    1. Also ich habe nur aus eigener Erfahrung berichtet. Ich hatte mal einen Kanister AdBlue vor mir und der Geruch war schon herb. Aber ist schon länger her. Vielleicht wurde ja etwas verändert 😉

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      1. Schon seltsam, als ich letztens eine neue V-Klasse damit betankte roch nichts besonders, auch beim Kleckern nicht. 😀

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