Phänomenale Kreuzung aus Offroadbuggy und Tracktool: CRIOG

Dass es viele motorsportbegeisterte Menschen gibt, ist kein Geheimnis. Ob beim 24h-Rennen am Nürburgring, oder bei der WRC. Überall tummeln sich tausende Motorsportfans, die ihre Leidenschaft über den Motorsound der Boliden, ihr martialisches Aussehen oder durch diesen unverwechselbaren Rennsportgeruch ausleben. Wenn man diesem ganzen Trubel der endlosen Menschenmassen entgehen möchte und dazu noch einen relativ bis sehr freigiebigen Geldbeutel hat, kauft man sich einfach selbst so ein Objekt der Begierde. Das einzige Problem welches sich hieraus ergibt, ist das Folgende: Wird es ein Wagen für die Rundstrecke, oder für´s Gelände?

SAM hat sich mit diesem Problem auseinandergesetzt und Sportgerät entwickelt, welches eine solche Überlegung überflüssig macht. Um mich davon zu überzeugen, lud mich Johannes Schuler, einer der Verantwortlichen der „Sächsischen Automobil Manufaktur“, zur Pressevorstellung in die Rallye Arena Lausitz ein.10

SAM übrigens, ist eine kleine Fahrzeugmanufaktur aus dem sächsischen Plauen. Ein paar Ingenieure und ein paar Mechaniker, die gerne tüfteln und Hand in Hand an ihren Projekten arbeiten. Keine großartigen Hierarchien und kurze Kommunikationswege helfen enorm dabei, Missverständnisse zu vermeiden und Probleme schnell zu lösen. Die Folge ist ein sauberes und zielgerichtetes Arbeiten am Fahrzeug. Da es eine Manufaktur ist, hat auch noch der Kunde was davon. Sonderwünsche können in das Fahrzeug einfließen, solange sie nicht zu extravagant sind.

Alles fing laut Aussage von Sven Knorr, dem CEO von SAM, an einem Abend in gemütlicher Runde um das Lagerfeuer an. Aus einem Gespräch entwickelte sich eine Diskussion über das obige Dilemma. Das Problem, dass man, je nachdem ob man on- oder offroad fahren möchte, jeweils ein Auto braucht, was auf dem jeweiligen Untergrund funktioniert, musste sich doch irgendwie lösen lassen. Man beschloss, weiter an des Problems Lösung zu arbeiten. Erfahrung hat Sven Knorr im Thema Motorsport zur Genüge. Mehrere größere und kleinere Projekte verwirklichte er schon. Der Aufbau von Fahrzeugen zur Rallye Dakar gehörte definitiv zu ersterem. Wenden wir uns aber wieder dem aktuellen Projekt zu, um das es hier und jetzt ja geht.

Da ich der erste Journalist am Ort des Geschehens war, hatte ich die Chance, mich ausgiebig mit Kay Stüllein, dem technischen Leiter des Projektes zu unterhalten. Vom ersten Bleistiftstrich auf leerem Papier bis jetzt dauerte es ca. 3 Jahre. Alles wurde auf maximale Performance, maximalen Fahrspaß und reines Motorsportfeeling ausgerichtet. 550kg Gewicht treffen auf 200 PS aus einem Suzuki Hayabusa Motor.
„War einfach praktischer. Dieser Motor ist haltbar, stark, leicht und man hat gleich das sequentielle Getriebe mit dabei. So muss man im Gelände oder auf der Rennstrecke nicht umständlich in einer H-Schaltung herum rühren, sondern kann an einem Schaltstock die Gänge durchreißen. Hoch schalten kann man theoretisch auch ohne Kupplung.“, sagt Kay. „Wir nehmen sie im Gelände aber meistens trotzdem zu Hilfe.“6

Logisch. Vor allem im Gelände mit starken Drehzahlschwankungen, die durch den Schlupf der Räder entstehen, ist es getriebeschonender mit Kupplung zu schalten. Auf der Rennstrecke hingegen muss man die Kupplung wirklich nur für Downshifts bemühen. Macht bestimmt auch Spaß, wenn man einfach mal auf der Landstraße ne Runde dreht. Hat der CRIOG (Competition runs in our genes) überhaupt eine Straßenzulassung? „Natürlich! Bisher gab es noch keinen Interessenten, der keine wollte!“, schmunzelt Sven Knorr. „Aber sowohl Fahrer als auch Auto dürften auf der Straße unterfordert sein. Die Zulassung ist also mehr für den Weg zur Rennstrecke gedacht.“14

Mag zwar sein, aber man hat in jedem Fall die Möglichkeit. Wenn einen die Motorsportsucht packt, lässt man sich kurzerhand in den Sparco-Schalensitz gleiten, steckt das Lenkrad auf, schnallt sich mit dem 6-Punkt-Gurt an, setzt sich das Headset auf und startet den Motor. Das ist jetzt übrigens soweit. Vorerst bin ich Beifahrer im ersten Serienfahrzeug, dass an den Bruder von Johannes Schuler ausgeliefert wurde. Ich vollziehe also das oben genannte Prozedere (abgesehen vom Teil mit dem Lenkrad) und er startet den Motor mit einem Knopfdruck. Was danach folgt, ist purer Genuss. Der Vierzylinder erwacht mit einem kurzen Bellen zum Leben und läuft dann röchelnd vor sich hin. Im Innenraum vibriert und lärmt es. Man ist froh, dass man die Kopfhörer auf hat. Über das Bord-Kommunikationssystem, können sich Fahrer und Beifahrer problemlos miteinander verständigen. Das Gelärme des Ungetüms nimmt man nur noch wie aus weiter Ferne war.

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„Ich fahre schon seit 2 Jahren Rallye. Ich habe auch schon das ein oder andere Gefährt ausprobiert. Aber nichts war so perfekt und intuitiv zu fahren, wie der CRIOG.“ Sprachs und gab Gas. Die Räder haben etwas Mühe Halt zu finden, sobald sie damit aber fertig sind, geht es stramm vorwärts. Ab etwa 8.500 U/min explodiert die Leistung förmlich noch einmal und es geht im Zeitraffer gen Horizont. Wobei das wohlgemerkt auch zu einem Großteil ein subjektives Gefühl ist. Man hockt förmlich auf der Straße und das lärmende und vibrierende Gefährt, welches ohne Unterlass dem Drehzahlgipfel von 11.000 (!) entgegen stürmt, lässt einen Glauben, locker noch einmal 50 km/h schneller zu sein, als man tatsächlich ist. „Geplant ist noch ein Turbokit für den Motor.“, höre ich meinen Fahrer sagen. Klar, denke ich. Is ja jetzt noch nicht schnell genug! Mir fällt unweigerlich der Spruch eines gewissen Walter Röhrl ein, der ohne Zweifel selbst unheimlich viel Spaß mit dem Biest unter meinem Hintern hätte: „Ein Auto muss soviel Leistung haben, dass man schon Angst bekommt, wenn man die Tür aufsperrt.“ Mit einem Turbokit wäre das unweigerlich der Fall. Wenigstens wird in Kürze auch ein Allradantrieb verfügbar sein, mit dem diese Kraft dann einigermaßen gebändigt werden kann.4

Wir kommen vom Schotter und Sand im 90° Winkel auf eine abgesperrte Straße. Er gibt nicht sofort wieder Gas, sondern lässt den CRIOG mit etwa 50 km/h entlang rollen. „Da wir jetzt auf der Straße sind, brauchen wir nicht mehr so viel Bodenfreiheit.“, sagt er. Er dreht an einem kleinen Knopf und das Auto senkt sich auf 10 cm Bodenfreiheit ab. Dieses System, welches für die Höhenverstellung verantwortlich ist, heißt VRS (Variable Ratio Suspension System) und ist in sechs Stufen einstellbar. Um kein Detail von dieser großartigen Erfindung unter den Teppich zu kehren, zitiere ich einmal wörtlich aus der Pressemappe:

Das VRS ist eine patentierte Fahrwerkskinematik, welche den Schwerpunkt bei der Entwicklung des CRIOG bildete.
Die unterschiedlichen Fahrmodi werden durch eine mechanische Veränderung des Umlenkmechanismus realisiert. Innerhalb weniger Sekunden können somit Bodenfreiheit und Radhub eingestellt werden. Entsprechend dem jeweiligen Übersetzungsverhältnis passt sich die Feder- und Dämpferrate automatisch an die neue Höheneinstellung an und sorgt somit für eine optimale Abstimmung.

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Kann ich soweit bestätigen. In meinen Augen wäre es sicherlich am sinnvollsten, das voll einstellbare Fahrwerk auf die Straße abzustimmen. Erfahrungsgemäß ist die Abstimmung im Gelände aufgrund des, vorsichtig gesagt, leicht rutschigen Untergrundes nicht so wichtig. An der Abstimmung ändert sich übrigens trotz gesamt 30 cm Höher-oder Tieferlegung so gut wie nichts. Push-Rod-Federung sei Dank. Wobei die natürlich nicht allein die Verantwortung trägt. Insgesamt ist es eine tolle Ingenieursleistung, so ein System auf die Beine zu stellen. Ich möchte an diesem Punkt allerdings nicht verschweigen, dass die elektrohydraulische Veränderung aus dem Cockpit heraus 9.275€ Aufpreis kostet. Ohne dieses Extra ist die Höhenverstellung auch möglich, aber nur, indem man das Auto aufbockt und selbst Hand anlegt.

C:DCIM100GOPROGOPR0727.GPR

Was er mir auch noch gleich zeigt, während das Auto selbst damit beschäftigt ist, sich wieder auf Offroadhöhe zu bringen (wir biegen gleich wieder auf Schotter ab), ist das kleine Rädchen rechts neben dem Lenkrad. „Hier kann ich stufenlos die Servounterstützung einstellen. Das reicht von gar keine Unterstützung bis hin zu -mit dem kleinen Finger lenken-.“  Für alle Geschmäcker ist also was dabei.

Wir kommen wieder zurück und bevor es soweit ist und ich ans Steuer des Prototypen darf, möchte ich von Kay Stüllein noch wissen, was man am CRIOG nun alles verstellen kann.
„Eigentlich alles.“, lautet die Antwort. „Die Höhe, die komplette Fahrwerksgeometrie, die Servounterstützung, die Gesamtübersetzung vom Getriebe und das sogar relativ einfach. Man kann sogar am Differential was machen. Das muss aber dazu ausgebaut werden im Gegensatz zum Getriebe.“ Ich bin beeindruckt. Wie viele Menschen können schon von ihrem Fahrzeug behaupten, dass es möglich ist mal schnell die Gesamtübersetzung zu ändern? Vor allem, wenn das Fahrzeug mit einer Straßenzulassung geliefert wird.18

Los geht´s. Ich öffne die nach schräg oben öffnende Tür und gleite in den Schalensitz, stecke das Lenkrad auf und schnall mich mit dem Sechspunktgurt fest. „Nicht auslachen, wenn ich einfach nur langsam meine Runde drehe.“, sage ich. Schließlich will ich am Technologieträger auch nichts kaputt machen. Sven Knorr kommt und reicht zwei Headsets in den Innenraum. Gute 1-2 Minuten dauert es, bis man bequem sitzt und alles von 0 auf eingestellt und verkabelt ist. Keine schlechte Zeit. Ich blicke über das Lenkrad und die Insektenförmig ausgeformte Motorhaube auf die Schotterpiste. Mein Beifahrer, einer der Mechaniker, dreht den Zündschlüssel und drückt auf den Starter. Es kribbelt in meinen Fingerspitzen. Ich trete die Kupplung und drücke den Schaltstock nach vorne. *KLACK* Der erste Gang ist drin. Ich gebe hauchfein Gas und lasse die Kupplung kommen. Der Motor dreht sofort bis 4.000 U/min. Er hängt fantastisch am Gas, das merke ich schon jetzt. Nun muss ich nur noch den Kupplungspunkt finden. Hab ihn! Wir rollen los.8

Ich muss noch einmal wenden, bis wir in die richtige Richtung fahren. Gemäß meiner Ankündigung gebe ich kein Vollgas, um auf der Stelle zu wenden, sondern fahre einen Bogen. Der Wendekreis ist nicht gerade Tiefgaragengeeignet, muss er aber auch nicht sein. Jetzt gebe ich vorsichtig Gas. Nach 20, 30 Metern ist mein Kopf ausgeschaltet und ich fahre das Ding nur noch über das Popometer. Von meiner angekündigten Vorsicht ist nichts mehr übrig geblieben. Vollgas den Berg hoch – 2, 3 Gang. „Da vorne rechts“, sagt mein Beifahrer. Ich bremse hart an, schalte einen Gang zurück, lenke ein, gehe wieder aufs Gas, das Heck drängt, der Auspuff schreit, es ist herrlich. Natürlich muss man fix am Lenkrad sein, aber es ist dennoch so einfach zu beherrschen, als wäre es ein Körperteil.

„Da vorne kommt eine rechts-links-Schikane“. Wieder hart anbremsen, es geht im 120° Winkel um die Kurve. Ich nehme die Flyoff Handbremse zu Hilfe, lenke entgegen, gebe Gas, die Schikane liegt hinter mir. Intuitiver geht es nicht. Was würde ich für einen ganzen Tag mit diesem Tier auf dieser Strecke geben. „Darf ich noch eine Runde fahren?“, rufe ich über das Headset. „Ja klar“, kommt es zurück. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich biege mit einem Drift auf die Start/Ziel ein, gebe Vollgas, fliege über eine Kuppe, schalte hoch, bremse an, schalte wieder runter. Die ganze Runde noch einmal. Diesmal funktioniert alles noch besser und schneller.5

Wieder Start/Ziel. Sven Knorr winkt mich zur Seite. Ich gehorche wiederwillig, halte an, nehme das Headset ab. Währenddessen schaltet mein Beifahrrer den Motor ab. Die Tür wird aufgemacht. Ich sehe einen grinsenden Sven Knor vor mir, flankiert von Kay und Johannes. „Dafür, dass Du es langsam angehen wolltest, warst Du aber ganz schön flott unterwegs“, meint er grinsend. „Wie war´s?“11

Ich steige aus, immer noch von Adrenalin und noch mehr Endorphinen durchströmt und sage: „Ich hatte noch nie mehr Spaß in einem Auto!“

Fazit:
Mit ca. 47.000€ Einstiegspreis ist der CRIOG sicher kein Auto, was sich jeder leisten kann. Es ist eben eine, in Kleinserie produzierte Fahrmaschine, in der ein nicht zu vernachlässigendes Maß an Arbeit und Entwicklung steckt. Es ist keine Bastelbude. Es steckt ein System drin, was so noch nie zuvor auf dem Markt war und nach allen Regeln der Kunst bearbeitet und abgestimmt wurde. „Komm zum Punkt!“, werden jetzt einige rufen. „Der Artikel ist eh schon so lang!“ Das ist er wirklich. Einfach deswegen, weil ich grandios begeistert bin und euch wenigstens einen kleinen Teil dieser Begeisterung literarisch vermitteln wollte.
Zum Ende mach ich´s jetzt kurz: Habt ihr 47.000€, die ihr verballern könnt? Kauft euch so ein Teil. Mein Versprechen an euch: Ihr werdet es nicht bereuen.

Hier findet Ihr die Daten

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