Das mit dem Nürburgringwetter ist schon was besonderes. Vorhersagen, die das Wetter mehr als 6 Stunden im voraus bestimmen wollen, kann man getrost vergessen und sie in etwa so ernst nehmen, wie den besoffenen Kumpel zu Silvester, der einem standhaft versichert, er würde im neuen Jahr „ganz sicher“ mit dem Rauchen aufhören. Gehört nicht zum Thema, ist aber ein netter Vergleich. Zusätzlich zum Fakt, dass sich das Wetter genauso wenig an den Wetterbericht hält, wie der Kumpel am 1. Januar an seine Ankündigung (Entschuldigung nochmal), ist die Nordschleife zusätzlich die längste Rennstrecke der Welt, was dafür sorgt, dass sich das Wetter in seiner ganzen Vielfalt zeigen kann. Auf Start/Ziel ist es knochentrocken, während in der Fuchsröhre Walnussgroße Hagelkörner runterkommen und die armen Teufel, die auf Slicks gesetzt haben, gnadenlos in die Leitplanke abbiegen lässt. Aber ich will in der Einleitung noch nicht alles verraten, also folgt hier die ganze Geschichte.
Passend zum Begriff „Geschichte“ möchte ich das diesjährige 24 Stunden Rennen auch als eine solche erzählen, um etwas Farbe in die ganze Sache zu bringen. Ein einfaches Zusammenfassen der Ereignisse gibt es schon auf genug Seiten.
Donnerstag, 26.05.16
Gegen 10 Uhr sitze ich in der Wohnung meiner Freundin und warte auf meinen Kumpel, mit dessen Auto wir zum Ring fahren. Ich nehme ein Video für euch auf, gegen halb 11 ist er da, zwei weitere meiner Freunde im Gepäck, die er vorher abgeholt hat. Er stöhnt, als er sieht, wie viel ich dabei habe. Tatsächlich ist das Meiste davon „beruflich“ bedingt. Spiegelreflexkamera, Videokamera, Laptop, Walkie Talkies (Funknetz bricht gerne mal zusammen). Der Platz, den die Tasche und der Beutel mit Schuhen und einer Regenjacke einnahmen, fiel in die Kategorie „persönlich“ und war meine Schuld. Als alles verstaut war, bemerkte ich, dass mein Kumpel die kleinen Visitenkärtchen („willst du Auto verkaufen?“) von den umliegenden Fahrzeugen abgesammelt und damit mein Auto tapeziert hatte. Mit einer Seelenruhe sammelte ich sie ab (was ihn erstaunte) und bewarf ihn damit. Man muss vorsichtig sein mit solchen Karten. Bei Regen lösen sie sich gerne in ihre Bestandteile auf und hinterlassen unangenehme Rückstände auf Glas und Lack. Nachdem mein Kumpel sich von der einen Karte, die er ins Gesicht bekam erholt hatte, fuhren wir in die Stadt, um meine Freundin abzuholen, die schon ungeduldig wartete. Los ging die Fahrt über 507km in die Eifel und vorerst zu unserem Hotel. Geplant war erst am Freitag zum Ring zu fahren, wir waren allerdings dann doch so früh am Ziel und immer noch so gut drauf, dass es hieß: „Auf in die grüne Hölle!“.
Eintritt zu bezahlen hätte sich allerdings nicht mehr gelohnt und so fuhren wir zur Quiddelbacher Höhe. Die WTCC Wagen absolvierten gerade ihr erstes freies Training und meine Freundin, die zum ersten Mal hautnah erlebte, wie Rennwagen an ihr vorbeiflogen, konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen.
Ich war natürlich Feuer und Flamme, wer mich kennt weiß, dass ich Verbrennungsmotoren und den Nürburgring so sehr liebe, dass ich am liebsten nach Adenau ziehen würde. Nach den WTCC Wagen hatten dann zum ersten Mal die Teilnehmer des 24h-Rennens die Möglichkeit eine gute Zeit in den Asphalt zu brennen. Das erste Qualifikationsrennen stand an.
Weil wir schon mal da waren, fuhren wir anschließend noch zur Döttinger Höhe. Es ist immer wieder ein Genuss, direkt neben der Strecke zu stehen wo die Boliden mit bis zu 270 km/h an einem vorbeirauschen. Die Tatsache, dass ich fast von einem Stein erschlagen wurde, der zum Glück nur mein Handgelenk traf, trübte meine Begeisterung nicht im Geringsten. Meine Uhr überlebte es schließlich auch.
Freitag, 27.05.16
Die Mädchen wollten im Apartment bleiben und sich etwas die nähere Umgebung anschauen. Wir Jungs wollten natürlich nicht im Apartment bleiben und pfiffen auf die, zugegeben sehr schöne nähere Umgebung. Bedauerlicherweise kamen wir durch das späte Frühstück und den Schönheitsschlaf nicht so früh los, wie im Vorfeld geplant, aber sei´s drum. Das Programm am Vormittag war nicht so weltbewegend, dass man seine Zeit mit Haare raufen verbringt, weil man nicht früher da war. Wir nutzten die Zeit lieber anders und schlenderten durch´s Fahrerlager, sagten Smudo im vorbeigehen Hallo und schauten uns hier und da die Fahrzeuge in den Zelten an. Wie jedes Jahr war soviel los, dass nicht nur das durchkommen erschwert war, sondern auch das fotografieren. Also nicht ganz so viele Fotos aus dem Fahrerlager, tut mir leid, my bad.
Was folgte, war ohnehin spannender. Das 24h Classic Rennen stand auf dem Plan. Wir sicherten uns Plätze auf der Mercedes Tribüne, begutachteten die Startaufstellung, ich machte wieder ein, zwei Filmsequenzen auf meiner Kamera.
Was mich aufhorchen ließ, war die Unwetterwarnung, die gerade vom Kommentator durchgegeben wurde. Für die, die es nicht wissen: Unwetterwarnungen auf dem Nürburgring sind nicht so spaßig. In der Eifel entleert sich der Himmel so schnell und grundlegend, wie nach einem schlechten Tankstellensushi. Es gab zwei Einführungsrunden, viele der Autos schoben mit ihrem Spoiler das Wasser vor sich her, wie ein Schneepflug den Schnee im Janaur.
Nach ein paar zögerlichen Anfangsrunden und einem durchaus sehenswerten Unfall auf der GP-Strecke, den ich von meinem Platz aus perfekt sehen konnte, groovte sich das Feld langsam ein und fuhr Runde um Runde ohne erwähnenswerte Zwischenfälle seine 180 min. runter.
Wer jetzt Blut geleckt hat, weil alte Autos zugegeben einfach mal richtig geil sind, dem sei gesagt, dass er sich auf den 12.-14. August freuen kann. Hier findet der alljährliche Oldtimer Grand Prix statt.
Um etwas Bewegung in unsere müden Knochen zu bringen, machten wir noch einen Abstecher zur Quiddelbacher Höhe, an der wieder ein Stein knapp an mir vorbei pfiff. Langsam machte ich mir Sorgen, wann mein Glück aufgebraucht ist. Glücklicherweise habe ich auch jetzt noch alle Zähne.
Zurück im Apartment aßen wir zu Abend und beratschlagten darüber, ob es ratsam und sinnvoll wäre noch zur Driftchallenge zu gehen. Kurzum: 5 gingen, zwei nicht. Fotos gibt´s hier:
Samstag, 28.05.16
Auf ging´s zum großen Tag. Start des 24 Stunden Rennens 2016! Der Moment, auf den alle Fans seit dem Ende des letzten Rennens gewartet haben. Da wir mit zwei Autos fuhren, konnten wir noch heimlich einen Geburtstagskuchen für meinen Kumpel besorgen. Sein Geburtstag war am Sonntag und wir gingen davon aus, dass wir wohl mit Motorensound und Benzingeruch in seinen Geburtstag reinfeiern würden. Die Konsequenz war klar. Also ab zum Bäcker, zurück ins Apartment, auf zum Ring. Am Nürburgring angekommen, durften wir nicht auf den Parkplatz, um den Rasen nicht zu beschädigen. Er war feucht, jetzt schien die Sonne und man sollte ihn schonen. Na klar. Dank einiger Überredungskunst und perfektem Timing eines, den Parkplatz verlassenden Autos, kamen wir am Ende doch drauf.
Jetzt war vor dem Rennen noch etwas Zeit tot zu schlagen. Wir zeigten also jenen, die noch nie da waren Fahrerlager, Tribünen, Aktionsflächen wie zum Beispiel das AMG-Festival und weitere Dinge, die man als Neuling wissen sollte. Ich war zu diesem Zeitpunkt gesundheitlich angeschlagen und so entschied ich mich, da die Zeichen wieder einmal auf Regen, Wind und kälteren Temperaturen standen, noch meine Schubert Motorsport Jacke zu holen. Jawohl, ich war und bin Schubert Motorsport Fan.
Nach ca. einer dreiviertel Stunde Fußmarsch zum Parkplatz und zurück teilte sich die Gruppe. Ein Teil sicherte sich bereits zwei Stunden vor Start einen Platz auf der Bilstein-Tribüne, der andere Teil nahm die nette Tradition wahr und füllte, zusammen mit gefühlt 50.000 anderen Menschen die Start/Ziel-Gerade. Zu diesem Teil gehörte ich, denn, auch wenn ich Menschenansammlungen hasse, schaue ich mir die Autos und die Fahrer gerne aus der Nähe an. Die Freundin meines Kumpels war ebenfalls hoch entzückt, denn sie bekam ein Autogramm und ein Foto mit Smudo.
Gegen halb 3 machten wir uns auf den Weg zur Bilstein-Tribüne, wo uns Teil 1 Plätze frei gehalten hatte. Schon aus der Entfernung konnte man ziemlich genau sehen, dass reinkommen auf absehbare Zeit nicht drin war.
Und tatsächlich:
„Können wir noch schnell rein? Unsere Freunde haben uns Plätze frei gehalten.“
„Oben ist voll, hier geht´s nicht mehr rein.“
„Ich kann Ihnen gerne das Bild zeigen, was meine Freundin gemacht hat. Hier. 3 Plätze. Frei und knackefrisch!“
„Oben ist voll, hier geht´s nicht mehr rein.“
„Können Sie auch noch was anderes sagen, oder hängt Ihnen da ne Schnur aus dem Rücken, an der Sie jedes mal ziehen?“
Ja, ich kann ein Arsch sein, aber so wie man in den Wald ruft…er hätte sich wenigstens die Mühe machen können in seinem Hinterstübchen nach ein paar anderen Antworten zu kramen.
Sei´s drum. Wir mussten uns eine Ausweichlösung suchen. Also Marsch Marsch wieder ins Fahrerlager und auf zur NGK-Schikane. Auch hier schon aus der Ferne zu sehen: Die Leute standen bis an die oberste Stufe der Treppe. Zum Glück war die Wiese nebenan offen und so stellten wir uns vor ans Geländer. Einem Blick zur Seite konnten wir entnehmen, dass die Tribüne nur halb voll war und der Eingang aus purem Blödsinn dicht war. Meine Kumpel schüttelte den Kopf: „Menschen!“
Ich gab ihm Recht.
2 Minuten später kam schon die erste Startgruppe vorbei geflogen. Ja, der Weg durch´s Fahrerlager dauert eine Weile.Aber wenigstens kamen wir rechtzeitig und so kann ich auch hier ein paar Fotos präsentieren:
Wenig später schlenderten wir zurück zur Bilstein-Tribüne, da in der WhatsApp Gruppe bereits heiß diskutiert wurde, wer jetzt zu wem kommt.
Obwohl schon viele Menschen durch den Ausgang entschwunden waren, weigerten sich die Schimpansen weiterhin standhaft die Tore zu öffnen. 20 Minuten später war es soweit und wir durften auf die Tribüne, die schon jetzt zur Hälfte leer war. Voll..Na klar.
Genau wie am Tag zuvor türmten sich am Horizont bereits die ersten Wolkentürme zu beachtlicher Größe auf. umso verwunderlicher war es, dass der weitaus größte Teil des Feldes weiterhin auf Slicks unterwegs war und die ersten Boxenstopps auch keine Veränderung versprachen. Das war vor allem deswegen ein Rätsel, weil im Bereich Fuchsröhre bereits aus der vertikalen Hagelkörner flogen und in der horizontalen Autos. Wer bis jetzt davon nichts gesehen hat, hier ein kleines Video, wer es nicht sehen möchte: Man kann es sich in etwa wie Pinball vorstellen.
Meine Freundin tippte mich an:
„Was macht der da unten?“
„Wer?“
Mein Blick fiel zuerst auf einen Mann, der sich gerade seine Currywurst über die Hose gekippt hatte.
„Der Typ da unten mit der roten Fahne.“
„Das bedeutet Rennabbruch.“
Nicht nur meine Freundin schaute mich erschrocken an.
„Keine Angst“, sagte ich, „in diesem Fall ist es eine Unterbrechung. Das war eigentlich vorherzusehen. Die Strecke ist da unten unbefahrbar. Das Wasser steht bis an die Knöchel und keiner kann erwarten, dass die noch halbwegs funktionstüchtigen Autos zwischen den Wracks hindurch fahren.“
Also Rennabbruch. Zeit lief weiter. Nicht cool, aber das ist eben der Nürburgring. Wir verlegten uns darauf die Zeit sinnvoll zu nutzen und etwas essen zu gehen. Trotz des räudigen Service, entschieden wir uns für das „Devil´s Diner“ an der Döttinger Höhe. Der Internetempfang war hier deutlich besser, wir konnten also einige Infos durch den Livestream abgreifen. Zu diesem Zeitpunkt schüttete es bereits auch an der Döttinger Höhe und so sicherten wir uns Plätze auf der Terrasse und warteten. 19:20 sollte die Einführungsrunde starten. Am Ende wurden tatsächlich ganze drei daraus. So konnte man aber zumindest in aller Ruhe jedes einzelne Auto begutachten und feststellen, welche durch die Massenabflüge bereits ausgefallen waren.Nach dem Restart und 2-3 Runden Döttinger Höhe, entschieden wir uns dann doch wieder Richtung GP Strecke zu fahren.
Ironischerweise war jetzt der Parkplatz vom Morgen wieder geöffnet. Die Verantwortlichen dachten sich wohl, dass bei der ehemaligen Wiese, die nun eher einer Sumpflandschaft glich, sowieso nicht mehr viel zu retten sei.
Auf gings zur Tribüne. Mehr los, mehr sehen, mehr mitbekommen. Gegessen hatten wir schon und so machten wir uns noch ein paar nette Stunden auf der GP-Strecke inklusiver einiger Nachtaufnahmen mit ordentlichem Rauschen, bevor es gegen 1 wieder zurück ins Apartment ging.
Sonntag, 29.05.16
Happy Birthday Tag. Ich machte Frühstück, Eier und Speck, einige aßen davor schon ein Stück Nougatkuchen. 1A für den Blutzuckerspiegel, aber was mir nicht gut tut, kann den anderen ja umso besser bekommen. Am Sonntag kamen wir wieder ziemlich spät los. Wir waren erst gegen 13:00 am Ring, was für uns hieß: Nur noch 2,5 Stunden bis Rennende. Diese verbrachten wir noch auf der Bilstein-Tribüne, inklusiver aufreibender letzter Runde.
Zwei AMG lagen vorne. Führender: HTP Motorsport / Zweiter: Black Falcon. Der HTP musste zwei Runden vor Schluss noch einmal tanken und kam gerade einmal 5 Sekunden vor Black Falcon aus der Box. Die Menge johlte. Black Falcon aber im Laufe der Runde dran, sticht in einer Kurve der GP-Strecke rein, HTP muss ausweichen (ziemlich grenzwertiges Manöver, aber ohne Folgen). Black Falcon fährt in der letzten Runde etwas Abstand heraus und gewinnt dann doch souverän mit etwa 20 Sekunden Vorsprung. Der knappste Zieleinlauf der Geschichte und einen vor Wut schäumenden HTP Motorsport Chef gab es am Ende des Rennens und einem Siegerdonut direkt vor unseren Augen.
Alle Ergebnisse gibt´s hier
16:30. Heimfahrt. Eine Stunde nach Rennende hatte sich der Verkehr beruhigt und wir kamen ohne große Umstände zurück ins Apartment. Tag entspannt ausklingen lassen, essen gehen, Montag zurück fahren und dem 24 Stunden Rennen 2017 entgegenfiebern.
[Hier sollte ein Video stehen. Leider hat sich vor Kurzem meine Grafikkarte verabschiedet, ich reiche es nach und sage Bescheid ;)]
Wieder einmal hat das 24 Stunden Rennen auf dem Nürburgring Geschichte geschrieben. Es war alles dabei, was dieses großartige Rennen ausmacht. Wind, Wetter, großartige Fans, Spannung bis zur letzten Minute. So wie es sein soll.
Bis nächstes Jahr!
Vielen Dank an meinen Kumpel Lukas, der so viele tolle Fotos gemacht hat!
Hallo Philip, danke Dir für Deinen spannenden Blog. Hat mich mehr gefesselt als die Übertragung von RTLNitro. Schade um die verunglückten Cayman. Das Herz schmerzt. Wetterkapriolen am Ring habe wir bei unseren Motorradtouren schon häufig erlebt. Von Linz mit der Fähre übergesetzt (bei 25 Grad). Am Ring Starkregen und 9 Grad.Nasse Kleidung dann Abends in Adenau im Hotel mit dem Föhn getrocknet. Unser Motto ist: “ Mach Dir ein paar schöne Stündchen, geht ins Brünnchen“.
Viel Grüße,
Urban
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Hallo Urban, vielen Dank für das Lob. Es ist immer schade, wenn ein schöner Sportwagen die Leitplanke küsst, das schöne am Rennsport ist allerdings, dass so gut wie immer genug Geld da ist, um das relativ schnell wieder zu richten. Was das Wetter angeht: Das macht den Ring ja gerade aus 😉
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