Im letzten Artikel dieser Reihe ging es um den drei Liter großen Triturbodiesel von BMW. Wer den Artikel nicht gelesen hat: Ziel ist oder war ein möglichst perfektes Ansprechverhalten bei jeder Drehzahl. Audi hat für dieses Ziel einen anderen Weg eingeschlagen – den der Hybridisierung. Allerdings wird hierbei nicht das Auto hybridisiert – das wäre ja langweilig – sondern die Aufladung selbst.
Wäre dieser Artikel vor einigen Jahren rausgekommen, hätte ich jetzt sowas geschrieben wie: „Jetzt wird sich der Ein oder Andere fragen, wie das gemeint ist.“ Da ich mir mit dieser Reihe aber mächtig Zeit gelassen habe, Asche auf mein Haupt, weiß nun ohnehin jeder, was ein E-Turbolader ist. Daher kommen wir gleich zum Prinzip dieses Konzeptes und ich spar mir die obige Unterstellung. Für die, die der E-Turbo an sich interssiert, gibt´s HIER den Artikel dazu.

Es war das Jahr 2014, als Audi den ersten Motor mit E-Turbo vorstellte. Es war ein V6 TDI Biturbo in einem Audi RS5. Selbstverständlich war das nur ein Versuchsfahrzeug, denn wie wir wissen, laufen die RS-Modelle allesamt mit Benzin, was dem Versuchsträger den Namen Audi RS5 TDI concept einbrachte. Wie funktioniert das Ganze nun? Zum einen sind die beiden herkömmlichen Turbos in Registerbauweise angekoppelt, sprich es gibt einen großen für die oberen Drehzahlen und einen kleinen für den unteren Bereich. Über einen Bypass nach dem Ladeluftkühler ist zusätzlich noch ein E-Turbolader angeschlossen. Bei diesem wird die Abgasturbine durch einen E-Motor ersetzt, welcher über die bekannte Welle mit der Verdichterseite verbunden ist und fleißig Luft zur Drosselklappe schaufelt.

Die Zeit, die dieser Motor benötigt, um die Abgasturbine auf Maximaldrehzahl zu beschleunigen, beträgt gerade einmal eine viertel Sekunde. Aufmerksame Leser werden sich jetzt schon denken, dass das einen großen Effekt auf das Ansprechverhalten ausübt. Denn dieses reduziert sich auf höchstens..genau! – 250 Millisekunden. Damit können die beiden Abgasturbolader für höhere Drehzahlen ausgelegt werden, als es ohne E-Turbo der Fall wäre.
Hinzu kommt, dass durch die zusätzliche Luftmasse mehr Abgasmenge zur Verfügung steht, was das Ansprechverhalten und das hochspoolen der beiden Abgasturbos ebenfalls begünstigt. Das alles zusammen sorgt dafür, dass das volle Drehmoment von 750Nm bereits bei 1.250 U/min zur Verfügung steht. Das sind volle 750 Umdrehungen früher, als der BMW-Triturbo seine 740Nm parat hat. Die 385 PS Nennleistung erreicht der V6 bei 4.200 Umdrehungen. Hier hat der BMW die Nase vorn, denn der R6 erreicht die Spitzenleistung von 381 PS nicht nur 200 Umdrehungen früher, sondern hält sie auch noch über 400 Umdrehungen. Beim Audi sind die 385 PS eine Peakleistung. Heißt soviel wie: danach geht´s wieder bergab.

Was ist also der Vorteil eines E-Verdichters? Ganz einfach: die hohe Variabilität. Anders als bei einem Abgasturbolader, bei dem der produzierte Ladedruck nur über das Wastegate geregelt werden kann, ist es bei einem E-Turbo möglich, die Drehzahlkennlinie direkt zu programmieren und somit die Charakteristik noch entscheidender zu beeinflussen. Zudem bietet ein E-Turbo bessere Spritsparqualitäten, da ein noch schaltfauleres Fahren durch das frühe maximale Drehmoment möglich ist und bei Motoren mit nur einem Abgasturbolader eine bessere Fahrbarkeit. Nachteile gibt´s aber auch – so ist ein E-Verdichter ziemlich teuer, was nicht zuletzt daran liegt, dass ein 48-Volt Bordnetz nötig ist, um den Stromhunger des E-Motors zu stillen. Das Wiederum bringt, aufgrund der zusätzlichen Lithium-Ionen-Akkus, mehr Gewicht ins Auto, was abermals erhöhte Kosten mit sich bringt, da dieses Mehrgewicht im besten Fall woanders wieder eingespart werden muss. Um zu verhindern, dass der E-Turbo die Akku-Packs innerhalb kürzester Zeit leersaugt, wird ein Großteil des Bedarfs durch Rekuperation gedeckt. Ihr erratet es: kostet auch wieder Geld.

Also was ist nun besser? Mehrere Turbolader oder ein E-Verdichter? Pauschal lässt sich das nicht beantworten, weil beide Systeme ihre Stärken und Schwächen haben. In Anbetracht des ohnehin steigenden Stromhungers der heutigen Fahrzeuge und immer schlimmer werdenden Umweltauflagen wird die Zukunft aber wohl eher dem E-Turbo gehören.

Quelle Bilder: Audi Presse