
Im Jahre 1974 stellte Porsche mit dem 911 Turbo 3.0 Typ 930 den ersten Porsche mit Abgasturbolader vor. Vehementer Turbopunch, die typische nichts, nichts, nichts, alles-Charakteristik die Dir ab einer bestimmten Drehzahl sämtliche Falten aus dem Sakko zog, war zu dieser Zeit auch bei Serienwagen üblich. Der 930 bildete da keine Ausnahme. Daraus ergab sich ein schwer zu fahrender Sportwagen, der allerdings eine Faszination mit sich brachte, der man sich nicht entziehen konnte. 260 PS waren damals eine geradezu wahnwitzige Anzahl Pferdchen. Nun, 42 Jahre später, läuft der aktuellste Turbo vom Band, der in seiner Spitzenausführung mit einem „S“ gekennzeichnet ist und gegenüber seinem Urahn 320 schnaubende Gäule mehr im Heck versammelt.
Doch was unterscheidet den Überporsche von anderen Fahrzeugen mit Turbolader?
Zum ersten vor allem der Bauraum. Es ist schlichtweg der Hammer, was Porsche bei allen 911ern im Allgemeinen und beim Turbo im Besonderen in das kleine Heck quetscht. In diesem Zusammenhang ist auch die Temperatur eine entscheidende Herausforderung, die es zu überwinden gilt. Werfen wir also einen Blick auf dieses Stück deutscher Ingenieurskunst. In der Theorie ist das einfach. In der Praxis leider nicht. Wenn man nämlich die Motorhaube, also den Heckdeckel öffnet, ist alles, was man zu sehen bekommt eine Plastikhaube mit zwei Lüftern.
Wenn man sie entfernt und dazu auch noch die Heckstoßstange hat man allerdings einen fast ungehinderten Blick auf den 3,8 Liter Boxer, der seit dem Facelift nun 580 PS bei 6.750 U/min mobilisiert. Extrem flach, extrem breit, extrem kompakt, extrem beeindruckend denke ich jedes mal wieder, wenn ich dieses Bild sehe.
Doch nun endlich wollen wir doch zur Technik kommen. Die Verdichtung liegt mit 9,8:1 etwas niedriger als die der BMW-Motoren, aber mit 633 ccm pro Zylinder packt er ca. ein Viertel mehr Hubraum in einen Topf, als die Kollegen aus München. Dass mehr Hubraum allein nicht zwingend ein Garant für Leistung satt sein muss, sehen wir bei vielen Beispielen. Aber im Allgemeinen gilt halt doch immer der Grundsatz: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen. Und diesen Grundsatz macht sich Porsche zunutze. Wenn auch nicht allein. Schließlich trägt er nicht ohne Grund den Namen „Turbo“, was ihm zum schnellsten Pferd im Porsche-Rennstall macht. Mit 1,2 bar drücken die Turbos den Sauerstoff in die Brennräume. Seit dem Facelift haben diese übrigens in der S-Version ein größeres Verdichtergehäuse spendiert bekommen.
Gehen wir noch etwas genauer auf die Turbos ein, sie haben es verdient. Denn der Porsche Turbo ist momentan der einzige Benziner, der Turbolader mit VTG-Steuerung besitzt. Bei Dieselfahrzeugen kommt diese Technik oft zum Einsatz, da dort die Temperaturbelastung niedriger ist. Dass Porsche trotzdem diese Technik verbauen kann, liegt am Material. Standardmäßig kommen hier Nickelbasis-Legierungen zum Einsatz, wobei der Trend zu leichteren und dennoch stabileren Titan-Aluminiten geht. Des Weiteren werden zur Eindämmung der Verlustleistung und Verbesserung des Ansprechverhaltens die Lager optimiert.
Mal ein kurzer Abriss, was die Technik angeht:
Zum Grundgedanken: Ich sitze in einem Fahrzeug mit Abgasturbolader und gebe Gas. Der Abgasstrom fängt an, das Abgasrad zu drehen, diese Drehung wird über eine Welle an das Verdichterrad weitergeleitet. Ladedruck liegt an. Soweit so gut. Jetzt gehe ich runter vom Gas. Die Frage ist nun: Wohin mit dem nach wie vor anliegendem Luftstrom vom Turbolader? Hier kommt die Druckdose ins Spiel. Über eine kleine Stange öffnet diese ab einem bestimmten Druck ein Ventil und die überschüssige Luft wird in den Abgastrakt weiter geleitet.
Beim VTG-Turbo erfolgt diese Regelung gleich bei der Abgasturbine. Hier befinden sich kleine Stellschaufeln, die von einem Elektromotor verstellt werden und somit den Strom auf die Turbine regulieren. Somit wird auch nur die benötigte Drehzahl erreicht.
Eine etwas präzisere Erklärung folgt demnächst in einem eigenständigen Artikel. Dieser Abriss galt jetzt bloß zur Vervollständigung des Bildes.
Beim verdichten wird die Luft natürlich sehr warm, egal, was für ein Turbolader im Motor steckt. Eine große Herausforderung für die Ladeluftkühler, insbesondere wenn der Motor hinter dem Fahrer platziert ist und nicht davor. Aufgrund des Bauraums gibt es beim Turbo übrigens eine ganz einfache bauliche Teilung.
Die Ladeluftkühler sitzen an der Seite des Motors hinter mächtigen Lüftungsschlitzen, die in die breiten Kotflügel der Hinterachse eingelassen sind. Der Wasserkühler für den Motor sitzt hingegen direkt in der Front, um die maximale Kühlleistung zu erhalten.
Trotz der thermischen Herausforderungen kann man dem 3,8 Liter Boxer keine Sparsamkeit im Leistungsvermögen nachweisen. Neben den, bereits oben erwähnten 580 PS bei 6750 U/min, liegen immerhin 750 Nm zwischen 2250 und 4000 U/min an. Kein besonders breiter Bereich heutzutage möchte man meinen, aber keine Angst. Das ist bloß das Overboost-Programm. Die Leistung reicht auch außerhalb des zeitlich begrenzten Fensters in Kombination mit dem Allradantrieb vollkommen, um den 1,6 Tonnen schweren Sportwagen in 2,9 Sekunden auf Tempo 100 zu schießen. Wohlgemerkt echte 2,9 Sekunden. Das muss erwähnt werden, da Nissan im Bezug auf den GT-R immer etwas großzügiger mit diesem Angaben umgeht. (Sagen Tests. Leider hatte ich noch kein Date mit Godzilla)
Hinter vorgehaltener Hand wird bei Porsche übrigens auch von Zeiten ab 2,7 Sekunden gemunkelt, aber das nur nebenbei.
Hier ein kleines Video von „Autogefühl“:
Wer jetzt den Entschluss gefasst hat, sich dieses nahezu perfekte Auto zu kaufen, der sollte mindestens 202.872€ locker machen können. Geld für Benzin sollte im Nachhinein übrigens auch noch da sein. Turbo läuft, Turbo säuft. Angegeben ist der Turbo S nach NEFZ mit 9,1 Liter.
Wenn man nicht gerade Walter Röhrl ist, sollte man auch mal locker 4-5 Liter mehr einplanen können. Der wird oft von seinen Kollegen gerügt. Einen Turbo kann man nicht mit 9 Litern fahren. Doch, der „Lange aus Regensburg“ kann das.
Dieses Video hat zwar nichts mit Sprit sparen zu tun, aber mit dem Turbo S und Walter Röhrl (Einstiegspunkt: 17:14)
Fazit:
Dass Porsche der Ruf des perfekten Autos voraus eilt, kommt nicht von ungefähr. Mit viel Erfahrungen beim Bau von Boxermotoren und technischen Innovationen, die sich so schnell kein anderer traut in Serie zu bauen, ist der neue Turbo S wohl wieder das non plus ultra in seiner Klasse. Ja ich weiß, ich bin nur ein Fuzzi, der das Auto noch nicht mal fahren durfte. Aber hey! Schaut euch das Auto doch mal an! Lest Tests, fahrt es und dann sagt mir, dass ich mich irre.
Einzig und allein für Soundfetischisten ist der Turbo nichts. Wer den reinen Boxersound will, muss dann doch zu den Saugermodellen greifen.

Hallo Philip, wieder einmal ein super Blog von Dir. Pure Fazszination. …Deine Blog’s zeugen von Kompetenz! Wenn Du so weitermachst wird Dein Uniabschluss einer mit Sternchen.
Liebe Grüße,
Urban
LikeLike
Danke! Leider ist mein Studium doch relativ weit entfernt vom Automobiljournalismus. Aber ich geb mir Mühe 😉
LikeLike
Ich kann mich da nur anschliessen, weiter so, gefällt mir.
Check mal den 911 R, Sauger, Understatement pur
LikeLike
Danke 😉 Ja, das ist wirklich ein super Auto. Ich würde aber dennoch eher zum GT3 oder Cayman GT4 tendieren, wenn ich mich entscheiden müsste.
Vllt ergibt sich ja irgendwann mal was. Aber die Technik ist ja nichts neues. Der Motor aus dem GT3 RS 4.0, Teile vom aktuellen GT3, etwas Carrera..aber dennoch eine Fahrmaschiene pur und ich denke, dass diese auch porschetypisch perfekt fahren wird 😉
LikeLike
Der Artikel ist sehr gut der 911 turbo ist ein feines Auto aber bei Boxer unter Druck wäre mir zuerst ein Subaru WRX STI in den Sinn gekommen. Vielleicht eine Idee für einen weiteren Artikel. Ansonsten weiter so 👍
LikeLike
Prinzipiell ist das eine sehr nahe liegende Lösung, das stimmt. Allerdings ist der Subaru eben nur sehr „schlicht“ aufgeladen. Er hat keinerlei Alleinstellungsmerkmal in puncto Aufladung. In dem Artikel geht es auch eher um den VTG Lader im Benziner und nicht um den Boxer 🙂
Aber Danke für das Lob!
LikeLike